9.05.2011, Sophie Barkey (DQF09)
Wenn
in der Stadt überall Plakate mit kernigen Wahlsprüchen zu lesen sind,
wenn die Politiker sich verstärkt öffentlich präsentieren und im SZ
Utbremen Aufrufe an mögliche Wahlhelfer verteilt werden – dann bemerkt
es selbst der letzte Nicht-Zeitungsleser: Die vier Jahre sind mal wieder
um - es stehen Wahlen an!
Am 22. Mai wird erneut die Bremer Bürgerschaft gewählt. Auch die Wahlen
zu den Beiräten der Stadtgemeinde Bremen und die Wahl zur
Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven fallen auf dieses Datum. Sie
werden separat zu den Bürgerschaftswahlen erfolgen.
Es
gibt einige Veränderungen, die einen größeren Einfluss für die
wählenden Bürger beabsichtigen. Die wohl wichtigste Änderung ist das
neue Wahlrecht.
Dr. Andreas Mackeben vom Schnupperwahllokal in der Bürgerschaft betont:
„Das neue Wahlrecht gibt den Bürgern nicht mehr Einfluss in dem Sinne,
dass sie mehr als vorher bestimmen könnten. Es bedeutet vielmehr, dass
ihnen eine größere Entscheidungsvielfalt geboten wird. Dadurch können
sie ihre Bedürfnisse und Meinungen besser ausdrücken und geltend
machen.“
„Gib
mir Fünf“ - unter diesem Namen läuft die Informationskampagne zum neuen
Wahlrecht, angeleitet von der Bremischen Bürgerschaft. Herr Dr.
Mackeben und die verschiedenen Schnupperwahllokale in ganz Bremen sind
Teil dieser riesigen Kampagne. Es wird versucht, möglichst viele Wähler
auf das neue System vorzubereiten, um ungültige Stimmen zu vermeiden.
Herr Dr. Mackeben, der im Wissenschaftlichen Dienst der Bürgerschaft
tätig ist, gibt sich zuversichtlich: „Ich glaube nicht, dass es all zu
viele ungültige Stimmen geben wird. Ein paar sind leider immer dabei,
aber wir hoffen natürlich mit der Kampagne viele Wähler aufgeklärt zu
haben. Das System an sich ist - für den Wähler zumindest - wirklich
einfach.“
Denn
mit „Gib mir fünf“ ist kein freundschaftlicher Gruß gemeint, sondern
die fünf Stimmen, mit denen jeder Bremer von nun an wählen kann. Sie
können beliebig auf die verschiedenen Kandidaten oder Parteien verteilt
werden.
Es liegt dabei an einem selbst, wie genau man sie vergibt – die
Hauptsache ist, dass am Ende nur fünf Kreuze auf dem Wahlbogen zu finden
sind und keines mehr gemacht wurde. Bei sechs hat man eben Pech gehabt
und der ganze Wahlbogen ist ungültig.
Völlig frei können Stimmen für die Wunschkoalition abgegeben werden, die
Lieblingskandidaten von verschiedenen Parteien angewählt oder alle
Stimmen auf eine Person bzw. Partei gebündelt werden. Die Möglichkeiten
sind zahlreich und alle Variationen zulässig, solange eben höchstens
fünf Kreuze gemalt wurden. Jedes Kreuz zählt im Übrigen gleich viel.
Das
alte Wahlrecht sah für jeden Wähler nur eine Stimme vor und der
Stimmzettel enthielt nur die ersten fünf Kandidatinnen und Kandidaten
der jeweiligen Parteien. Nun steht auf dem Stimmzettel die ganze Liste
der Partei. Das bedeutet, der Wähler kann aus einer großen Palette
Personen auswählen, welche er für würdig erachtet, diese Stadt zu
führen. So könnte sogar der letzte Kandidat auf der Liste, wenn er oft
gewählt wurde, in die Bürgerschaft einziehen.
Besonders
interessant und neu hierbei ist, dass der Stimmzettel zu allen
Kandidaten und Kandidatinnen Angaben bezüglich ihres Berufes, Alters und
Stadtteils enthält.
Jedem Haushalt wird außerdem vor der Wahl ein Musterstimmzettel
zugesandt, so kann man sich im Vorfeld genauer über die Kandidaten
informieren.
Die Auswertung der Stimmzettel wird in den Tagen nach der Wahl erfolgen
und sich erdenklich komplizierter gestalten, als in den Jahren zuvor.
Somit wird es am Wahlabend noch zu keiner sicheren Festlegung der Plätze
kommen, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach, nur zu einer ungefähren
Einschätzung bezüglich der Sitzverteilung insgesamt.
„Hoffentlich
schaffen wir das!“, frohlockt Andreas Mackeben. „Zuerst wird
hochgerechnet, wie viele Stimmen die Parteien insgesamt bekommen haben.
Dabei werden Stimmen für Liste oder Kandidat noch nicht getrennt.“,
erklärt er. „In den Tagen darauf wird dann genau ausgewertet, welche
Kandidaten tatsächlich einen Platz in der Bürgerschaft bekommen. Die
Mandate werden dann nach Sainte-Laguë verteilt. Das ist das
Auszählungsverfahren, das in Bremen schon seit 2003 verwendet wird.“
Besonders erfreulich ist auch, dass die 16-Jährigen erstmalig
wahlberechtigt sind. Das betrifft auch viele Schüler unserer Schule. Die
Politiker sind zu dem Entschluss gekommen, dass man mit 16 Jahren in
der Lage ist, sich eine eigene Meinung bilden zu können – auch im
politischen Bereich. So wird es hoffentlich viele 16-Jährige Erstwähler
geben, die diese Annahme beweisen.
Das
Wahlrecht ist ein Recht, für das viele Generationen vor uns auf die
Straße gegangen sind; um das besonders Frauen hart kämpfen mussten und
welches die erste und einfachste Möglichkeit zum Mitbestimmen ist. Es
ist ein Privileg, nach dem sich die Menschen anderer Länder auch heute
noch sehnen, und jeder sollte dieses Grundrecht in einem
fortschrittlichen Land wie Deutschland für sich ernst nehmen.
Wer wählt, bestimmt mit. Wer wählt, nimmt den Rechtsradikalen prozentual
an Stimmen. Wer wählt, nimmt seine eigenen Bedürfnisse und Meinungen
ernst. Wer wählt, hat etwas zu sagen.
Wenn jeder denkt, seine Stimme würde nicht viel ausrichten und deswegen
nicht zur Wahl kommt, wäre das Ergebnis total verfälscht. Es würde nicht
die Meinung aller Bürger repräsentieren.
Diejenigen,
die partout keiner Partei ihr Vertrauen schenken und es von keinem
Schwerpunkt im Wahlprogramm abhängig machen wollen, können immer noch
ihren Wahlzettel ungültig ausfüllen. Nicht besonders effektiv, aber so
wird es immerhin prozentual eine Stimme weniger für die rechten Parteien
geben, denen wir in Bremen eine eindeutige Abfuhr erteilen müssen.
Und wer meint, nicht wählen zu können, weil er keine Ahnung von Politik
habe, sollte sich dringend über die Parteien und deren grundlegende
Schwerpunkte informieren. Letztendlich ist doch jeder betroffen von dem,
was in der eigenen Stadt vor sich geht.
Jede Stimme zählt. Und dieses Mal haben wir sogar fünf davon.
Weitere Infos sind zu finden unter
http://www.5stimmen.de/ oder in den verschiedenen Schnupperwahllokalen.
19.05.2011,
Sophie Barkey (DQF09)