Donnerstag, 19. Mai 2011

Filmkritik zu „Black Swan“. Mitreißend, erschreckend - und abgenudelt?

19.05.2011, Sophie Barkey (DQF09)

Eine fanatische Ballerina, düstere Atmosphäre und verstörende Momente – das alles hat der zu Jahresanfang erschienene Kinofilm „Black Swan“ zu bieten.
Blau und blutig hat sie sich die Füße getanzt, mit angestrengtem Gesicht – jede Bewegung kontrollierend – so wie ihr Leben kontrolliert wird von zwei Dingen: Das eine ist ihr Ballett; das Tanzen in einer ausgewählten Gruppe, das damit verbundene tägliche Training, die ständige Gewichtskontrolle und der große Wunsch nach der großen Rolle.
 
Ihr anderer Gedanke gilt den Vorstellungen ihrer überehrgeizigen Mutter, die selber das Ballett für die Schwangerschaft aufgegeben hat und will, dass ihre Tochter nun die Beste ist. Diese wohnt mit Mitte Zwanzig noch immer in ihrem Mädchenzimmer, auf dem Nachttisch eine Spieluhr, die das Lied vom Schwanensee spielt.

Einen Freund oder überhaupt Freunde hat sie nicht.
Nina Sayer heißt die überkontrollierte, psychisch Verunsicherte. Sie ergattert, wie lang ersehnt, beide Hauptrollen in der nächsten Aufführung ihrer Akademie: Tschaikowskys Schwanensee. Sie soll den Weißen Schwan, liebenswürdig und unschuldig, und den Schwarzen Schwan, leidenschaftlich und unkontrolliert, tanzen. Der kritische französische Ballettmeister Thomas ist nicht sicher, ob sie es schafft, die Rolle des letzteren gänzlich zu verkörpern und er versucht immer wieder, sie aus der Reserve zu locken.

Nina will es unbedingt schaffen, ihn zufrieden zu stellen und trainiert mehr denn je. Sie stürzt sich Hals-über-Kopf in die Schizophrenie zwischen den zwei Rollen und geht kaputt daran.
Im Laufe des Films verwischt sich die Wirklichkeit mit Ninas Paranoia.

Existiert die selbstbewusste, attraktive neue Tänzerin Lilly, die Nina so viel Konkurrenz macht, überhaupt in Wirklichkeit? Und, ist die schwarze Feder, die Nina sich aus einer immer wieder aufgekratzten Wunde am Schulterblatt pult, halluziniert?

Der neueste Film von US-Regisseur Darren Aronowsky trägt wahrlich nicht umsonst den Stempel „Psychothriller“ und nicht „Tanzfilm“.

Der Film wird erschreckend real durch die meisterhafte Darstellung der Nina durch Oskar-Preisträgerin Natalie Portman, die selber in ihrer Jugend Ballett tanzte, und sich Monate lang auf den Film vorbereitete. Ein zusätzlicher Faktor, der den Film so verstörend macht, ist die teils aufdringliche, hektische Kameraführung: Es wird bei Tanzeinlagen mit im Kreis geschwungen, aus der Beobachtungsperspektive gefilmt und es werden eindrucksvoll schnörkellose Nahaufnahmen gezeigt.
Aronowsky zeigt in seinem Film die absolut brutale Seite des Ballettsports, in dem es nur an die Spitze schafft, wer sich mit Druck, Schmerz und Stress arrangieren kann, die Konkurrenz skrupellos ausschaltet und am besten kein Sozialleben hat. Nina jedenfalls gab fürs Ballett ihr ganzes Leben auf.
Trotz der aufreibenden Wirkung, die der Film auf seine Zuschauer ausübt, hat er bei genauerer Betrachtung seine Mängel.

Die Geschichte von der enttäuschten Mutter, die ihrem Kind ein Leben aufzwingt, das ihr versagt worden blieb, ist nichts Neues und eindeutig sehr klischeehaft. Was eine verzweifelte Mutter ihrem Kind antun kann, wissen wir alle aus jeder zweiten US-Serie und ist als Idee nicht wirklich überzeugend.

Ninas zahlreiche psychische Erkrankungen lassen einen zunehmend den Überblick verlieren, bis man irgendwann einfach nur noch aufgewühlt ist. Ständig fragt man sich: „Was ist denn nun mit ihr?“, ohne je eine Antwort darauf zu bekommen. Mögliche Antworten verlaufen sich im Bodenlosen. Ninas Handlungen können irgendwann einfach damit abgetan werden, dass sie ein psychisches und physisches Wrack ist. Das ist ein wenig schade um den eigentlich wirklich gut gemachten Film.

„Black Swan“ lässt den Zuschauer 117 Minuten lang seine Umgebung und zwischendurch auch das Atmen komplett vergessen und ist definitiv kein netter Film für zwischendurch. Alles in allem ein gelungener Film, gescheitert nur im Hinblick auf die zu platten, plakativen Klischees.

19.05.2011, Sophie Barkey (DQF09)

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